"Raummusik und so"
2. Konzert der Reihe "Sprachmusik und Musiksprache: 
Neue Musik Kölner Komponisten" des Instituts für Phonetik 
in Zusammenarbeit mit Kunstschalter e.V.
Dienstag, 31. Oktober 2000
Einlaß 19 Uhr, Beginn 19:30 Uhr
Kunstwerk, Deutz-Mülheimer-Str. 127
Eintritt frei. 

Info | Programm | Koch | Muenz | Tung | Wagner | Erbe | Stoffel | Heike | Skusa

Harald Muenz
geb. '65 in Schwäbisch Hall
Studien in Detmold (Tonmeister), Stuttgart und Köln (Musikhochschule: Kompositionsdiplom, elektro-nisches Studio, Klavier, Kammermusik; Universität:  Musikologie, Phonetik)
Komposition bei H. Lachenmann ('94-'97), K. Meyer ('88-'93), J. Fritsch, K. Barlow, Z. Krauze, G. Li-geti, M. Kagel

Stipendien/Auszeichnungen: Arbeitsaufenthalt Villa Aurora Los Angeles ('00), Stiftung Kunst und Kul-tur NRW Projektförderung ('99), Förderpreis Musik des Landes NRW ('97), Bernd-Alois-Zimmermann-Stipendium Köln ('97), Stiftung Kulturfonds Berlin im Künstlerhaus Schloß Wiepersdorf ('95), Gradu-iertenförderung der Musikhochschule Köln ('98), Stipendiat Darmstädter Ferienkurse ('94, '98) u.a.

Ehrenamtlich Mitglied im Vorstand der Kölner Gesellschaft für Neue Musik e.V., im Musikbeirat der Kölner Rubens-Gesellschaft e.V./St. Peter, im Kulturrat Köln und musikalischer Berater des Italieni-schen Kulturinstituts Köln, Jurymitglied des Bernd-Alois-Zimmermann-Stipendium Köln '98 und der IGNM Weltmusiktage '00.

kompositorische Schwerpunkte: phonetische Sprachkomposition, Ars Acustica

Lebt in Köln als Komponist. Nebentätigkeiten als Funkautor, Fachübersetzer (ital.-dt.) und in der Er-wachsenenbildung über Neue Musik (u.a. Karl-Rahner-Akademie, eigene Reihe "Komponisten - ganz nah!" im Kulturbunker Köln-Mülheim.

deSperanto - quadrophone Tonbandkomposition in acht Sprachen
Die vierkanalige Tonbandkomposition deSperanto entstand in den Jahren 1995/96 unter Verwendung von acht Sprachen unterschiedlicher Herkunft: Spanisch, Koreanisch, Rumänisch, Chinesisch, Deutsch, Englisch, Slowenisch und Griechisch. Den Komponisten interessierte hier in erster Linie die Sprache als Klang, das heißt als die spezifische Artikulation der unterschiedlichen Sprachen. Dazu bearbeitete Muenz die Texte mit einem speziellen transformierenden Computerprogramm. Das Er-gebnis waren zunächst acht Texte, gebaut aus Elementen der zugrundeliegenden Sprachen, die in einem kontinuierlichen Prozeß, ausgehend von anfänglich unverständlichem Kauderwelsch, wieder auf den Urtext zusteuern. Dieses Material wurde danach miteinander verschränkt, jedoch so, daß alle acht Schichten jeweils einem kontinuierlichen, aber individuellen Verwandlungsprozeß unterworfen worden sind. Während die Texte allmählich die originalen syntaktischen Strukturen annehmen und immer sinnvoller werden, löst sich die Artikulation der Sprache ins Klangliche auf.

Harald Muenz komponierte keine internen Beziehungen, keine Kommunikation zwischen den Sprach-schichten, im Gegenteil: die Dramaturgie verfolgt einen gradlinigen, unaufhaltsamen Prozeß, an des-sen Ende ein babylonisches Desaster steht, denn hier wird mit Material aus weiteren Sprachen (Fran-zösisch, Italienisch, Schwedisch und Ungarisch) auch das kontinuierliche klangliche Feld zerstört. Übrig bleiben einzelne, akustisch geballte Geräuschbrocken, die nur noch entfernt an die unverständ-liche Artikulation einzelner Wörter zu erinnern vermögen; die Ähnlichkeit verweist zurück auf den Be-ginn des Stücks.

Je weiter sich die Sprachstrukturen in sinnvolle Einheiten wandeln, desto mehr wird ihre Artikulation von einer spezifischen Klanglichkeit bestimmt. Die Analogien zu Zwischensenderrauschen, Tonband-spulgeräuschen und elektronischen Störgeräuschen verweisen auf die Sphäre der Nachrichtenver-mittlung. Wer den zugrundeliegenden Text kennt - es handelt sich um die Präambel der UN-Charta in jeweils der offiziellen Übersetzung - kann auch auf eine politische Fragestellung schließen: ist die Informationsdichte der Mediengesellschaft umgekehrt proportional zur Beachtung ihrer Mitteilungen? Der mehrdeutige Titel deSperanto läßt verschiedene Möglichkeiten offen: er zielt auf die Welthilfs-sprache und vereint die Bedeutungen „esperanto“, der Hoffende, mit „desperado“, dem Verzweifelten.

(Carolin Naujocks in der Sendung DeutschlandRadio Berlin, Werkstatt: „Werke von Harald Muenz, Montag, 19. Januar 1998. Von deSperanto liegt eine Stereoreduktion der vier Quadrokanäle als Sen-defassung vor.)